Mimik und autistisches Masking

Die meisten Menschen lernen bereits früh, soziale Signale wie Mimik, Gestik, Intonation und ähnliches zu erkennen, zu deuten und selbst einzusetzen. Lange bevor ein Kind sprechen lernt ist es bereits dazu in der Lage, über Mimik eine kommunikative Ebene zu anderen Menschen wie den eigenen Eltern aufzubauen. Vor allem Mimik ist dabei dazu in der Lage, Emotionen, Intent und persönlichen Ausdruck mit großer Detailtiefe zu übermitteln. Sie ist zu einer Vielzahl von fein differenzierten Ausdrücken in der Lage, die eine große Bandbreite an Gefühlen und Aussagen beinhalten kann.

Während der Einsatz von Mimik und anderen nonverbalen Signalen bei den meisten Menschen instinktiv abläuft, ist diese Grundfähigkeit der zwischenmenschlichen Kommunikation bei Autisten häufig gestört bis gar nicht vorhanden. Betroffene haben sowohl Schwierigkeiten, Signale zu erkennen und zu deuten als auch selbst entsprechende Signale zu senden.

Die Schwierigkeit des Erkennens führt häufig zu Missverständnissen, wenn nonverbale Botschaften nicht oder falsch verstanden werden. Da das Erkennen dieser Signale auch eine wichtige Rolle beim Entstehen von Empathie spielt, zeigen sich auch hier häufig Abweichungen. So fällt es vielen Autisten sehr schwer, die Stimmung ihres Gegenübers zu erkennen oder Ironie und Sarkasmus zu verstehen.

Autisten selbst zeigen häufig einen flachen bis starren Affekt. Ihre Mimik ist nur sehr gering ausgeprägt und liefert nur wenige Anhaltspunkte hinsichtlich ihrer Gefühlswelt. Das Gegenüber hat also ebenfalls Schwierigkeiten, die Emotionen und Intensionen des anderen zu verstehen. Ein flacher Affekt wird stattdessen oft als Langeweile und Desinteresse interpretiert. Ein flacher Affekt macht es anderen Menschen auch schwer, Empathie gegenüber Betroffenen zu entwickeln. Eine häufige Problematik von Autisten mit flachem Affekt ist es, bei Krankheit und bei Schmerzen ernst genommen zu werden, da sie nicht die erwartete Mimik zeigen und ihre Schmerzen deshalb häufig als gering eingeschätzt werden.

Während einige Autisten ein Leben lang große Probleme mit dem Einsatz und dem Verstehen von Mimik und anderen nonverbalen Kommunikationsformen haben, lernen einige Betroffene bereits in ihrer Kindheit, Mimik bewusst zu imitieren. Dieser Vorgang wird als „autistisches Masking“ bezeichnet. Betroffene Personen können Mimik sehen und verstehen, dass sie von Menschen oft vorausgesetzt wird. Sie können Gesichtszüge und Gesten nachahmen und schaffen es so, lange unentdeckt zu bleiben.

Masking ist jedoch kein Ersatz für nonverbale Kommunikation. Die imitierten Gesten werden in der Regel bewusst eingesetzt während ein instinktives Verständnis dieser Kommunikation weiterhin fehlt. Dieses Verhalten kann sich automatisieren, sodass Betroffene ihr eigenes Masking selbst nicht bemerkten. Erste Anzeichen von Masking können bereits im Alter von sechs Monaten auftreten. Später werden neben nonverbalen Signalen auch Auftreten und Aussehen kopiert. Häufig werden Vorbilder nachgeahmt, wobei neben der Sprechweise und der Mimik auch häufig der Kleidungsstil und weiteres Verhalten imitiert werden können.

Maskierende Autisten beobachten andere Menschen meist sehr genau aus dem Hintergrund. Vor allem junge Mädchen zeigen dieses Verhalten besonders häufig. Sie werden meist als schüchtern und brav wahrgenommen und fallen im Gegensatz zu nicht maskierenden Autisten kaum bis gar nicht auf.

Masking ist für Betroffene sehr kräftezehrend und fehleranfällig. Nicht selten führt dies irgendwann zur totalen Erschöpfung, die im schlimmsten Fall dauerhaft anhalten kann. Erwachsene Autisten fühlen sich nicht selten sozial ausgegrenzt, viele verlieren den Blick für sich selbst, weil niemand ihr autistisches Selbst kennt. Das verleitet sie dazu, sich immer weiter zu verstellen und sich von sich selbst zu entfernen. Oft treibt das Betroffene immer weiter in die Einsamkeit. Sie werden immer unsicherer, entwickeln oft Depressionen, Wut und Burnout. Ein Durchbrechen dieses Kreislaufs ist sehr schwer und führt nicht selten dazu, dass sich Freunde und Bekannte von Betroffenen distanzieren, da die mit dem Ablegen der „Maske“ einhergehenden Veränderungen im Verhalten oft negativ aufgenommen werden.

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