Interview: Berufsbildungswerke

(Dieses Interview wurde mit einem Mitglied unserer Facebookgruppe “Spät diagnostizierter Autismus” geführt. Zum Schutz der Privatsphäre des/der Betroffenen erfolgt die Veröffentlichung anonym.)

SdA: Was ist überhaupt ein Berufsbildungswerk?

A: Ein Berufsbildungswerk ist eine Ausbildungsstätte, die überbetriebliche Ausbildungen teilweise auch in Zusammenarbeit mit Betrieben der freien Wirtschaft anbietet. Dies richtet sich vor allem an Menschen mit Behinderungen, psychischen Erkrankungen und zum Teil auch anderen Hemmnissen. Das können Probleme mit der Justiz, Suchterkrankungen, aber auch schwierige soziale Verhältnisse sein. Es gibt ca. 40 solcher Bildungswerke bundesweit. Und da die Teilnehmer oft von weit herkommen, haben solche Bildungswerke auch Wohn und Freizeitbereiche, vergleichbar mit Internaten. Die Ausbildungen finden im geschützten Rahmen statt, allerdings schließt man am Ende die gleichen Prüfungen ab, wie auf dem normalen Arbeitsmarkt. Die Ausbildung in einem Bildungswerk ist also absolut gleichwertig.

SdA: Unter welcher Trägerschaft laufen diese Werke?

A: Das unterscheidet sich natürlich. Meist stehen soziale Verbände und Vereine dahinter wie das Rote Kreuz, die Diakonie oder die Caritas. Diese arbeiten dann eng mit der Bundesagentur für Arbeit zusammen, um die Finanzierung für eine Ausbildung und die Unterbringung eines Teilnehmers zu bekommen. Dazu sind gewisse Erfolgsquoten notwendig. Das heißt natürlich auch, dass die Bildungswerke ein großes Interesse daran haben, ihre Auszubildenden auch durchzubekommen, und dieses Ziel an forderste Stelle setzen. In einem Berufsbildungswerk wird es also nicht wie in der freien Wirtschaft passieren, dass der bspw. kaufmännische Auszubildende mal Müll entsorgen, Kaffee kochen oder Blumen gießen muss. Es werden gezielt nur wichtige Ausbildungsinhalte vermittelt, dies muss der Arbeitsagentur gegenüber auch streng dokumentiert werden.

SdA: Du erwähnst Finanzierung. Die Ausbildung und Unterbringung ist sicher nicht kostengünstig. Wie finanzieren sich diese Werke?

A: Wie gesagt, hauptsächlich durch Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit. Ausbildung, Unterbringung, Verpflegung, Freizeit, Prüfungsvorbereitung, Nachhilfe, ÖPNV, all das muss man kostenmäßig mit einbeziehen, da die Teilnehmer keine dem gewöhnlichen Arbeitsmarkt entsprechende Ausbildungsvergütung bekommen, weshalb es z.T. sogar vorkommt, dass Bildungswerke finanziell bei der Medikamentenzuzahlung helfen, wenn der Azubi hierbei Hilfe benötigt. Im Schnitt kostet ein Auszubildender an einem Berufsbildungswerk etwa 3.000 Euro pro Monat. Kostenmäßig ist es vergleichbar mit der Unterbringung in einem Seniorenheim. Da manche der Träger den Kirchen angehören, spielt sicher auch das in die Finanzierung mit hinein.

SdA: Eine Ausbildung findet ja in der Regel zumindest in Teilen in einem Ausbildungsbetrieb statt. Wie ist das bei Berufsbildungswerken geregelt?

A: Das ist natürlich eine sehr wichtige Frage. Da muss ich vielleicht etwas ausholen. Berufsbildungswerke gibt es nicht nur bundesweit, sondern in ganz Europa. Und diese Bildungswerke sind größtenteils untereinander vernetzt. Bildungswerke unterhalten sogenannte Übungsfirmen. In diesen Übungsfirmen wird der Arbeitsalltag simuliert, und dort findet dann überwiegend die Ausbildung an einem Bildungswerk statt. Beispiel: Ein deutsches Bildungswerk unterhält fünf Übungsfirmen. Eine davon vertreibt Büroartikel. Diese Waren existieren nicht wirklich sondern nur virtuell. Aber die Übungsfirma betreibt nun virtuellen Handel mit einer anderen Übungsfirma eines französischen Berufsbildungswerkes. Und diese Art der Simulation liefert die Ausbildungsinhalte für den Auszubildenden. Aber es werden ja nicht nur Kaufleute ausgebildet. Es gibt auch IT-ler, die sich um die IT des Bildungswerkes kümmern, oder Gärtner, die sich um die Grünanlagen des Bildungswerkes kümmern, und in diesen Fällen nicht virtuell, sondern ganz real. Verkäufer-Azubis werden gerne im hauseigenen Kiosk ausgebildet, Hauswirtschaftler waschen die Bettwäsche für den Wohnbereich und Koch-Azubis kochen in der Mensa des Bildungswerkes. Es stehen aber jedem Auszubildenden auch zusätzliche Praktika in Echtbetrieben außerhalb des Bildungswerkes zu. Und das wird gerne angenommen, da viele auch mal raus wollen aus dem geschützten Rahmen, oder sich dadurch auch eine spätere Übernahme erhoffen. Die Bildungswerke unterstützen gerne dabei, diese Kontakte zu knüpfen und tauschen sich eng mit den Betrieben aus, welche Inhalte vermittelt werden müssen. Es sind auch Austauschprogramme mit Bildungswerken und Betrieben in anderen EU Ländern möglich.

SdA: Du erwähnst einen “geschützten Rahmen”. Was genau ist mit diesem Begriff gemeint?

A: Das ist natürlich individuell sehr verschieden, welche Art von geschütztem Rahmen jemand benötigt, da sind die Berufsbildungswerke auch sehr flexibel. Berufsbildungswerke haben bspw. eine wesentlich höhere Toleranz, was die krankheitsbedingten Ausfälle eines Azubis angeht, als das in richtigen Betrieben der Fall ist. Das Berufsbildungswerk hat in erster Linie das Ziel, dass der Azubi am Ende seine Prüfung besteht, egal wie steinig der Weg dahin ist. Es wird also bei längeren und häufigeren Ausfällen bspw. mit Angeboten zur Nachhilfe gegensteuern, anstatt den Auszubildenden unter Druck zu setzen oder ihm Steine in den Weg zu legen. Bei längeren Ausfallzeiten wird auch versucht, dem Auszubildenden trotzdem weiterhin Struktur anzubieten, durch gezielte Freizeitangebote, die nicht nur aus lauter Großzügigkeit und Spaß angeboten werden, sondern dem Auszubildenden auch zum Ausgleich und zur Erholung dienen sollen. Gerade bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen ist so etwas sehr wichtig. Eine große Hürde, die dem Azubi genommen wird, sind natürlich auch die kurzen Wege. Fast alles, was benötigt wird, befindet sich auf dem gleichen Gelände. Sei es die Ausbildungsstätte, die Mensa, der Wohnbereich, der medizinische Dienst, Freizeitmöglichkeiten oder die Berufsschule. An manchen Bildungswerken kommen sogar die IHK Prüfer ins Haus, wenn es soweit ist. Im Wohnbereich stehen auch Betreuer bereit, falls sie benötigt werden. Es kann auch mal vorkommen, dass diese für eine begrenzte Gruppe von Azubis abends kochen. Teilweise werden Azubis auch vom Bahnhof abgeholt, dort hin gebracht, ect. Natürlich kann niemand am Ende dem Azubi die Prüfung abnehmen. Aber der Weg dorthin kann ihm möglichst angenehm gestaltet werden, wodurch ein enormer Nachteilsausgleich entsteht, der in dieser Form außerhalb von Bildungswerken natürlich völlig unrealistisch ist.

SdA: Du hast ja Deine Ausbildung in einem Berufsbildungswerk gemacht. Wie kam es dazu?

Ich habe nach meinem Fachabitur in Betriebswirtschaft hunderte von Bewerbungen geschrieben. Ergebnis: Ich bekam zu 90 % Absagen, hatte eine Handvoll Vorstellungsgespräche. Bei diesen kam ich nicht sonderlich gut an, eine Situation die vielen Autisten vielleicht bekannt vorkommt, da es mit der nonverbalen Kommunikation nicht immer so gut funktioniert. Zwischen meinem 20. und 30. Lebensjahr bin ich also nur von Maßnahme zu Maßnahme geschickt worden, bekam 1 Euro – Jobs oder unbezahlte Praktika. Wenn man von meinem Beispiel ausgeht, kann man zwei Dinge festhalten: 1. Man ist nie zu alt für ein Berufsbildungswerk. Ich war 32 als ich meine Ausbildung dort begann. 2. Ein Berufsbildungswerk ist nicht nur für Personen ohne Schulabschluss oder mit Förderschulabschluss zu empfehlen. Diese Personengruppen gibt es dort auch, aber allgemein bildet sich dort ein sehr weites Spektrum ab. Einer meiner Internatskollegen lernte dort Kaufmann für Büromanagement, nach abgeschlossenem Studium der Physik. Wie ich war er mit dem Asperger-Syndrom diagnostiziert. Ans Bildungswerk geraten bin ich, nachdem ich nach einem Tagesklinikaufenthalt auf Grund von Depressionen einen Tipp bekam. Ein Sozialarbeiter empfahl mir eine Ausbildung an einem solchen Berufsbildungswerk. Auf Grund meiner Asperger-Diagnose und einem vorhandenen Schwerbehindertenausweis war es nicht schwer, die Arbeitsagentur von diesem Weg zu überzeugen. Diese schickte mich zwar zunächst für drei Monate in eine erneute Maßnahme, um eine Fähigkeits- und auch Arbeitsfähigkeitsanalyse meiner Person zu vollziehen. Nachdem dieses aber überstanden war, wurde mir die Finanzierung für eine solche Ausbildung zugesichert.

SdA: Das klingt nach einem langen Leidensweg. Wie war es für Dich, Dich in den Alltag des Werkes einzufinden?

A: Zunächst mal war es was neues und ungewohntes. Ich hatte Bedenken, da ich schon weit über dem Altersschnitt der Azubis dort lag. Auch der Begriff “Internat” machte mir Angst. “Internat” kannte ich nur aus Filmen, in denen Kinder dorthin abgeschoben werden. In Wahrheit hätte es aber nicht besser für mich laufen können. Ich wurde von jedem gut aufgenommen, schloss Freundschaften, die teilweise bis heute bestehen, ich machte eine Ausbildung, schloss diese erfolgreich ab, und das auf einem sehr sanften Weg. Ich tankte Selbstbewusstsein, wurde von jedem akzeptiert wie ich bi, und wurde mit einem Respekt behandelt, an dem es für mich heute noch irritierenderweise zuvor oft mangelte. Endlich wurde akzeptiert, dass ein “nicht können” eben ein “nicht können” und kein “nicht wollen” ist, und trotzdem gab es einen Weg zum Erfolg. Und ich musste mich für keine Schwierigkeit und keine Umstände, die ich bereitete, rechtfertigen. Dafür bin ich sehr dankbar.

SdA: Demnach war das Berufsbildungswerk für Dich vermutlich die richtige Lernumgebung. Kannst Du kurz erzählen, wie so ein typischer Tag in einem Berufsbildungswerk abläuft?

A: Naja, bei mir begann es mit dem Frühstück auf der WG (bei uns gab es vier Wohngebäude a fünf WGs, je elf Personen pro WG) Dann ging es zu Fuß in die Übungsfirma oder die Berufsschule, beides auf dem Gelände, fußläufig innerhalb von fünf Minuten zu erreichen. In der Mittagspause gab es Essen in der Mensa. Nach Feierabend ging es zurück auf die WG. Hier war jeder Bewohner zu gewissen Diensten eingeteilt, die wöchentlich wechselten. (z.B. Wocheneinkauf für die WG, auf Kosten der WG-Kasse, Spül bzw. Spülmaschinendienst, Blumen gießen, Abfälle entsorgen, kehren…) War das erledigt, machte ich entweder noch eigene Erledigungen im nahegelegenen Ort, suchte den Freizeitbereich auf oder entspannte mit Freunden im Wohnbereich der WG oder ganz privat auf meinem Zimmer. Da wurde dann auch oft mal ein Filmabend gemacht, gemeinsam gezockt oder gemeinsam gekocht, wozu einem so die Lust und Laune verleitet.

SdA: Du erwähntest Freizeitmöglichkeiten. Welche Möglichkeiten werden da geboten?

A: Auch das ist sehr unterschiedlich und natürlich auch von der Größe des Berufsbildungswerkes abhängig. Es gibt Werke für hunderte Azubis, dann gibt es welche, die tausende beherbergen. Als ich mich auf die Suche nach einem geeigneten begab, stieß ich auf Bildungswerke mit hauseigenem Schwimmbad und Sauna. Das war dann schon Luxus. Meines war etwas kleiner, hatte aber ein Freizeithaus mit Turnhalle, einer Bar/Disko, Internetcafé, Musikzimmer mit allerlei Instrumenten zur freien Verfügung sowie Bastel- und Gestaltungsräumen. Darüber hinaus wurden Ausflüge in die nähere Umgebung und sogar begleiteter Sommerurlaub in Südfrankreich angeboten. Alles in allem wurde ich von meinem Umfeld oft beneidet, wenn ich davon berichtete, was mir dort alles geboten wird, ohne dass ich dafür in mein Portemonnaie greifen muss.

SdA: Uns erreichen in der Gruppe oft Anfragen von Eltern, deren Kinder sich in einer ähnlichen Situation befinden wie Du nach der Schule. Was würdest Du diesen Eltern gerade auch in Hinblick auf Berufsbildungswerke raten?

A: Ich würde ihnen dazu raten, ihre Kinder auf diesem Weg zu unterstützen, und das möglichst früh, in einem Alter zwischen 16 und 20. Nicht, weil ich mich mit 32 dort nicht wohlgefühlt hätte, sondern weil ich es einfach gerne eher gemacht hätte. Ihnen und ihren Kindern sollte aber auch bewusst sein, dass es trotz geschütztem Rahmen kein Selbstläufer ist. Es gegen den eigenen Willen zu tun bringt nichts. Man bekommt viel Unterstützung, es erfordert aber auch viel Einsatz und auch Anpassung an die Situation und die Umgebung. Ein Mindestmaß an Selbstständigkeit ist trotz all der Unterstützung sicher nicht das schlechteste. Diese war bei mir durchaus gegeben, weil ich seit meinem 20. Lebensjahr alleine lebte. Ich habe aber auch 16-20 jährige dort erlebt, bei denen das so gar nicht der Fall war und wo das betreuende Personal dieses dann auffangen musste. Das kann auch mal Konfliktpotenzial haben.

SdA: Gab es in Deinem Umfeld auch Menschen, die mit der Situation vor Ort nicht zurecht gekommen sind?

A: Natürlich. Aber aus den verschiedensten Gründen. Manchmal fehlt die gewohnte Umgebung, oder Freunde und Familie fehlen. Man hat Heimweh. Es gab jedoch auch Teilnehmer, die bspw. ihr Suchtverhalten nicht in den Griff bekamen. Teilnehmer mit Verhaltensstörungen. Es gab während meiner Zeit dort Azubis, die ungewollt abbrechen mussten, weil sie entweder Drogen konsumierten, oder anderweitig verhaltensauffällig waren. Dies waren Härtefälle. Es gab aber auch den umgekehrten Fall. Verhaltensauffällige Teilnehmer, die dort eine Kehrtwendung machten, da sie es als Erleichterung empfanden, eben nicht in ihrem gewohnten Umfeld zu sein, welches einen schlechten Einfluss auf sie hatte. Von daher gab es auch durchaus Teilnehmer, die wenig bis gar kein Interesse daran hatten, an Wochenenden nach Hause zu fahren. Teilweise gab es auch Teilnehmer, die mit Grausen an die Zeit nach dem Bildungswerk dachten. Hier ist es wichtig, über diese Ängste mit den Sozialarbeitern zu reden, um sich optimal auf die Zeit danach und auf ein hoffentlich selbstständiges Leben vorzubereiten, wo eben nicht mehr der allround-Schutz geboten wird. Auch dafür will das Berufsbildungswerk den Teilnehmer fit machen.

SdA: A pro pos “Zeit nach dem Bildungswerk”: Wie war das für Dich, ins Berufsleben einzusteigen?

A: Zunächst mal war es natürlich eine riesen Umstellung, das Internat zu verlassen, was fast schon zu meinem Zuhause geworden war. In Verbindung damit stand auch wieder das Schreiben vieler Bewerbungen. Während andere, die am Bildungswerk ein Handwerk oder auch IT lernten, sehr schnell in Arbeit waren, musste ich doch feststellen, dass der kaufmännische Bereich ziemlich überlaufen ist und es dort auch in Zeiten des sogenannten Fachkräftemangels immer noch mehr Bewerber gibt, als der Arbeitsmarkt aufnehmen kann. Ich habe dann eine Home Office Stelle im öffentlichen Dienst gefunden, aber das hat ein wenig gedauert. An und für sich war es aber eine positive Erfahrung, ins Berufsleben einzusteigen. Ich hatte bereits während meiner Ausbildung im Bildungswerk auch immer wieder die Chance ergriffen, in Echt-Betriebe reinzuschnuppern. Denn ich möchte nicht verheimlichen, dass ein simuliertes Arbeitsumfeld, in dem man von Kollegen mit den verschiedensten psychischen Erkrankungen umgeben ist, auch seine Tücken haben kann. Auch wenn ich einige Faktoren des geschützten Rahmens eines Bildungswerkes verlor, so war es doch stets angenehm, auch ein herkömmliches Arbeitsumfeld zu erfahren, welches weniger konfliktbehaftet ist. Natürlich war es auch ein tolles Gefühl, dann ein richtiges Gehalt zu verdienen. So geht es sicherlich jedem Azubi, denen an einem Berufsbildungswerk aber im besonderen, da es eben leider keine Ausbildungsvergütung gibt.

SdA: Gab es Dinge, die Du nach deinem Einstieg ins Berufsleben vermisst hast?

A: Da ich nicht ausschließlich im Home Office gearbeitet habe, definitiv die kurzen Wege des Bildungswerkes. Berufspendeln ist etwas, wo ich mich sicher nie ganz dran gewöhnen werde. Besonders vermisst habe ich aber auch das soziale Umfeld am Berufsbildungswerk, welches sich nach der Ausbildung in verschiedenste Bundesländer verstreut hat. Plötzlich war man eben wieder mit vielem alleine. Sowohl was die Ansprechpartner am Berufsbildungswerk angeht, sowie auch das soziale Umfeld in der Freizeit betreffend. Brauchte ich im Internat Ablenkung, Unterhaltung oder einfach mal eine Aussprache, brauchte ich nur an eine der Türen der Mitbewohner zu klopfen, wenn keiner aufmachte, versuchte man es mit der nächsten Tür, oder man versuchte es gleich auf einer anderen WG. Man war nie alleine, wenn man es nicht sein wollte. Dennoch hatte man die Möglichkeit, sich zurückzuziehen, wenn man es brauchte. Und das wurde stets akzeptiert, und man wurde in Ruhe gelassen. Sowohl von den Mitbewohnern, als auch von den Sozialarbeitern. Diese Flexibilität im Umgang auf individuelle Bedürfnisse von Menschen ist etwas, was man außerhalb des Bildungswerkes kaum erfährt. Insofern ist die Ausbildung an einem Berufsbildungswerk auch viel mehr als eine berufsbezogene Erfahrung. Es ist auch eine tiefgreifende Erfahrung auf das Sozialleben bezogen. Als Person im Autismusspektrum hätte ich nie gedacht, dass dies für mich von solcher Bedeutung werden könnte, aber gerade das hat ganz viel mit mir gemacht.

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