Interview: Neuorientierung im BTZ

(Dieses Interview wurde mit einem Mitglied unserer Facebookgruppe “Spät diagnostizierter Autismus” geführt. Zum Schutz der Privatsphäre des/der Betroffenen erfolgt die Veröffentlichung anonym.)

SdA: Was ist eigentlich ein BTZ?

A: Ein BTZ ist ein berufliches Trainingszentrum. Dort geht man hin, wenn man Unterstützung braucht, wieder in den Arbeitsmarkt nach/mit einer psychischen Erkrankung integriert zu werden. Dort gibt es verschiedene Maßnahmen, anhand derer man herausfinden kann, welche Rahmenbedingungen man braucht, wie man mit bestimmten Situationen umgeht etc. Es gibt berufliche Trainer, die einen auf die Arbeit vorbereiten, begleitet von psychoszialen Betreuern. Es gibt Teilnehmer, die waren lange nicht arbeiten, können aber in ihren gelernten Beruf zurück. Dann gibt’s welche (wie ich), die waren lange krank, können aber nicht mehr in den gelernten Beruf zurück und finden dann mit Hilfe der verschiedenen Bereiche heraus, wo sie eine berufliche Perspektive finden können. Und es gibt welche, z.B. ohne Schulabschluss, ohne Ausbildung, die dann auf eine Ausbildung vorbereitet werden.

Ich habe folgendes gemacht:

https://www.berufliche-trainingszentren.de/unser-angebot/berufliches-training.html

Das bestand zuerst aus einer Eignungsabklärung, dann folgte das berufliche Training.

Diese Maßnahmen kann man übrigens auch an einem BFW (Berufsförderungswerk) machen. Das wollte ich aber damals nicht, weil das Dresdner BFW riesig ist (ich glaube, es sind über 1000 Schüler und ein riesiges Gelände), das BTZ aber sehr übersichtlich ist (um die 85 Plätze). Aufgrund der wenigen Plätze ist die Wartezeit allerdings deutlich länger als bei größeren Einrichtungen.

SdA: Wie genau kann man sich ein solches Zentrum vorstellen? Sind das feste Räumlichkeiten?

A: Das sind in der Regel normale Gebäude (ich kann jetzt nur für Dresden sprechen). Das in Dresden hat mehrere Etagen. Unten Hauswirtschaft/Gärtnerei, in der ersten Etage die Konstruktion und Gestaltung, in der zweiten Etage war auch noch Gestaltung und ich glaube IT, in der dritten Etage war hauptsächlich Verwaltung und in der vierten Etage waren die Büros der psychosozialen Betreuer und auch noch Verwaltung. Die Büros sind eher übersichtlich, aber es ist fest geregelt, was wo ist.

Es gab auch noch eine Werkstatt, die war aber ausgelagert und nicht direkt angebunden, sondern ein paar Gehminuten entfernt.

SdA: In Berufsbildungswerken sind die Auszubildenden oft auf dem Gelände untergebracht. Wie ist das hier?

A: Im BTZ gibt es keine Möglichkeit der direkten Unterbringung, weil die meisten aus der Umgebung kommen. Wer aber weiter weg wohnt, hat die Möglichkeit, in einer WG untergebracht zu werden, die von zwei festen psychosozialen Betreuern betreut wird.

SdA: Gibt es beim BTZ feste Ziele, was erreicht werden soll?

A: Die Ziele werden jeweils individuell festgelegt. Jeder Teilnehmer ist eine Einzelmaßnahme. In regelmäßigen Gesprächen (alle vier bis sechs Wochen) finden sowas wie Förderplangespräche statt, wo der ist-Zustand erfasst wird und neue Ziele festgelegt werden. Dabei werden natürlich auch die Ziele vom letzten Mal überprüft. Was wurde erreicht? Was nicht und warum? Welche Herausforderungen und Schwierigkeiten gab es? Welche Unterstützung braucht es, um die Ziele erreichen zu können? Die Ergebnisse dieser Gespräche werden schriftlich festgehalten. Ein grobes Ziel ist natürlich, dass man in Ausbildung/Arbeit kommt (sonst käme man nicht dorthin), aber bis dahin bedarf es oft vieler kleiner Ziele.

Diese Förderplangespräche finden immer im Tandem statt, das heißt, der jeweilige berufliche Trainer ist dabei und der psychosoziale Betreuer.

SdA: Welche Maßnahmen kommen zum Erreichen dieser Ziele in Betracht?

A: Das kann z.B. die Praktikumsplatzsuche sein, bestimmte Sachen üben wie telefonieren, fachspezifische Kenntnisse erwerben etc.

In der Einrichtung, in der ich war, gab es eine Art Berufsschule, die einmal in der Woche stattfand und von einem beruflichen Trainer durchgeführt wurde. Daran nahmen diejenigen teil, die in eine Ausbildung oder Umschulung wollten. Als Bewährungsprobe sozusagen. Um zu schauen, was klappt, was nicht und warum, was braucht es. Außerdem gab es ein Bewerbungstraining und ein soziales Kompetenztraining.

SdA: Was versteht man unter einem beruflichen Trainer?

A: Berufliche Trainer sind Leute, die in der entsprechenden Branche viel Berufserfahrung haben und wissen, worauf es ankommt. Sie bereiten die Teilnehmer unter geschützten, aber arbeitsplatznahen Bedingungen auf eine Arbeit vor.

SdA: Du warst ja an einem BTZ. Wie kam es dazu?

A: Ich habe bei der Arbeitsagentur eine berufliche Reha beantragt. Im Gespräch mit dem zuständigen Rehaberater wurden mir das BFW und das BTZ als Maßnahmeort vorgeschlagen. Ich sollte mir beide ansehen und durfte mich dann entscheiden, wo ich hinmöchte. Aufgrund der Größe und Erreichbarkeit sowie der Tatsache, dass das BTZ für psychisch Erkrankte spezialisiert ist, das BFW hingegen nicht, entschied ich mich für’s BTZ.

SdA: Hattest Du zu diesem Zeitpunkt schon eine abgeschlossene Ausbildung oder war das Teil der Maßnahmen im BTZ?

A: Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine abgeschlossene Ausbildung in einem Beruf, in dem ich auch gut drei Jahre gearbeitet habe, bevor ich lange erkrankte. Aufgrund der medizinischen Unterlagen entschied der Amtsarzt, das dieser Beruf nicht mehr leidensgerecht sei und ich eine neue berufliche Perspektive finden muss.

SdA: Das BTZ diente bei Dir also der beruflichen Neuorientierung, richtig? Hattest Du eine Wahl hinsichtlich der Berufsrichtung oder wie wurde diese neue Richtung gefunden?

A: In meinem Fall ja. In der ersten Maßnahme wurde ich in verschiedene Bereiche gesteckt, um zu schauen und zu erproben: Ist das was? Macht mir das Spaß? Könnte das beruflich etwas sein? In meinem Fall war ich viel in der Verwaltung, was ich zwar konnte, aber nicht sonderlich mochte. Ich war noch in der Werkstatt drüben, aber nur zum löten. In der Gestaltung war ich in der Buchbinderei. Erst ganz zum Schluss, Mitte der vorletzten Woche, kam ich in die Konstruktion. Und das auch nur, weil ich der psychosozialen Betreuerin beiläufig erzählte, das ich als Kind sehr gerne mit Bausteinen und Lego gespielt habe und auch zu Kitazeiten meistens mit den Kids im Bauraum war. Als ich ihr das erzählte, wusste ich gar nicht, dass es auch eine Konstruktion gibt. Ich wurde gefragt, ob ich das mal ausprobieren möchte und ich bejahte.

Das BTZ hat mich dabei unterstützt, den passenden Bildungsträger zu finden. Der war bei mir nämlich nicht wie bei den allermeisten das BFW, sondern ein kleiner nicht-Reha-Bildungsträger.

SdA: Du hast die Ausbildung also nicht direkt am Haus selbst sondern in einem Betrieb in der freien Wirtschaft gemacht?

A: Richtig. In meinem speziellen Fall war klar, das BFW kommt als Bildungseinrichtung nicht in Frage. Hospitieren musste ich trotzdem, um sicherzugehen. Danach suchte ich zusammen mit der psychosozialen Betreuerin nach Alternativen und fand einen kleinen nicht-Reha-Bildungsträger. Sie begleitete mich auch dorthin zu einem Infogespräch und begründete die Auswahl vor dem Arbeitsamt, welches das anstandslos genehmigte.

Das BTZ dient nur der Vorbereitung, nicht der Durchführung von Arbeitstätigkeiten und Ausbildungen bzw. Umschulungen.

SdA: Hattest Du auch nach Ausbildungsbeginn noch Maßnahmen am BTZ?

A: Nein. Ich hatte noch ein halbes Jahr Nachbetreuung von der psychosozialen Betreuerin, danach war Schluss.

SdA: Wie würdest Du im Nachhinein die Maßnahmen und Leistungen des BTZ bewerten? War es für Dich die richtige Wahl?

A: Für mich war es definitiv die richtige Wahl. Nicht immer leicht, aber von einfach hat ja auch keiner was behauptet.

In manchen Belangen hätte die Kommunikation besser sein können, weil damit einiges hätte vermieden werden können, aber das sind ja auch nur Menschen.

SdA: Wenn jemand anderes in einer ähnlichen Situation ist wie du vor dem BTZ, was würdest Du demjenigen raten?

Ich würde demjenigen dazu raten, wenn eine solche Einrichtung erreichbar ist, diese Möglichkeit unbedingt zu nutzen. Denn diese Einrichtungen sind entgegen ihres Namens eher kleine, übersichtliche Maßnahmeorte, was Autisten sehr gelegen kommt. Und es besteht dort die reelle Möglichkeit, wieder in den Job zurückzukehren oder einen Neuen zu finden, weil anders als im BWF die Teilnehmer weniger untergehen.

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