Overload – Meltdown – Shutdown

Wir haben unsere Mitglieder gefragt, wie sich Overload, Meltdown und Shutdown für sie anfühlen, welche Auslöser sie bei sich identifizieren konnten und wie sie die Situation Außenstehenden beschreiben würden.

„Die Reizüberflutung – Ein Spülbecken

Stell dir vor Reize wären wie Wasser und jeder hat sein ganz persönliches Spülbecken. Oben kommt durch den Wasserhahn Wasser rein, unten läuft es durch den Abfluss ab. So lange das Wasser unten schnell genug abfließen kann, ist alles gut. Wenn aber mehr Wasser rein kommt, als weg fließen kann, dann läuft das Becken rasch voll.

Ist das Becken schon halb gefüllt, kann man nicht mehr so viel Wasser ein kippen, als wenn es gerade ziemlich leer ist. Ist das Becken voll, reicht schon ganz wenig Wasser und das Becken läuft über. Wasserschaden.

Für Menschen, die sehr viele Reize ungefiltert wahrnehmen, bedeutet das Stress. Ausgleich z.B. in Form von Rückzug, Stimming, Skills, Interessen sind dann besonders wichtig. Sie sind wie Becher mit denen man das Wasser aus dem Becken schöpft.“ (A)

Die Vorstellung überlaufenden Wassers, sei es nun in einem Spülbecken, einem Trichter oder einem Fass, findet sich immer wieder in der Bildsprache Betroffener. Reize werden als etwas wahrgenommen, das sich unaufhaltsam nach und nach anstaut, bis schließlich eine Grenze erreicht ist und derjenige sprichwörtlich überläuft.

Dabei versuchen viele, diesem Überlaufen zu entgehen, indem sie sich der Situation entziehen.

„In Situationen die mir zu viel werden oder unangenehm, ziehe ich mich innerlich zurück. Ich lasse meine Körper in der Situation aber mein Geist geht weg. Das passiert vor allem bei ‚eins zu eins’-Situationen. Ich lasse das Ganze dann an mir vorbeiziehen und gehe. Draußen lass ich es dann mehrheitlich mit laut werden raus. Overload beim Einkaufen: Es wird mir langsam zu laut, dann fühle ich mich eingeengt, ich komme mir dann wie ein Tier in Gefahr vor. Herzrasen. ich versuche mich dann irgendwie noch bis zu den Kassen zu bringen. Mache innerlich Geräusche. Geht das nicht, habe ich auch schon alles stehen gelassen und bin ohne Einkauf aus dem Laden gerannt.“ (A)

Leider ist es nicht immer möglich, aus den überladenden Situationen zu fliehen. Das kann räumlich bedingt sein, aber oft verhindern auch andere Menschen die Flucht, da nicht bemerkt wird, wie schnell sich der Zustand Betroffener in diesen Momenten verschlechtern kann.

 

„Mir kam gerade das Bild vom Hulk in den Sinn. Im Overload bekomme ich eine Art Angstgefühl, das auf fight or flight, also Angriff oder Flucht hinausläuft. Ich versuche mich dann aus der Situation zu ziehen. Wenn man mich nicht lässt, merke ich, wie der Druck immer weiter ansteigt. Der Meltdown lässt dann den Kessel platzen und der Hulk kommt aus mir heraus und tobt herum. Hinterher tut mir das ganz schrecklich leid. Und doch denke ich mir: “Warum hast Du mich nicht in Ruhe gelassen?”“ (A)

Dabei können die Auslöser ganz unterschiedlich ausfallen und werden von Betroffenen auch unterschiedlich intensiv wahrgenommen. Für manche sind hohe Geräuschpegel oder andere Sinneseindrücke sehr belastend. Auch viele Menschen wie beim Einkauf oder auf Veranstaltungen können zur Überlastung führen. Ein Mitglied schilderte, wie vor allem beim Umgang mit Geld derartige Situationen auftreten. Auch hier findet sich wieder die Verbindung zu überlaufendem Wasser: „die Schleusentore öffnen sich“.

„Ich hab ein Problem im Bereich Finanzen. […]

Was auch ganz schlimm ist, wenn ich an der Kasse stehe und mich nicht mehr an meine Pin der Karte erinnere, weil die Schlange hinter mir schon so lang ist und alle schon total gereizt sind weil ich einen Grosseinkauf mache.

Und wenn mich dann der jenige der das verursacht hat mich noch in den Arm nehmen will explodiere ich, wehre nur noch Berührungen ab und die Schleusentore öffnen sich.“ (A)

Der Meltdown nach einem unvermeidbaren Overload ist dabei eine natürliche Reaktion vieler Betroffener. Der Körper baut auf diese Weise Stress ab und kann letztendlich wieder zur Ruhe kommen. Grade bei Menschen, die erst als Erwachsene diagnostiziert werden, wurden diese Meltdowns vor allem in der Kindheit oft als Wutanfälle betrachtet und von Eltern und Erziehern geahndet. Dies kann langfristige Folgen auf die Psyche Betroffener haben, wie ein anderes Mitglied unserer Gruppe berichtet.

„Overload und Shutdown gehen bei mir schnell ineinander über – fließend, rasend schnell. Jeden Tag achte ich auf mich, damit ich gar nicht in diese Überlastungen komme. Bin allerdings schon im Ruhestand und kann mich daher selbst regulieren und über mich bestimmen. Schlimme Meltdowns hatte ich in der Kindheit, in Stresssituationen mit meinem Kind oder Partnern. Als Kind wurden mir Meltdowns mit Gewalt untersagt, daher bin ich eher “implodiert”, was mich krank gemacht hat. Da ich alleine lebe, ist alles wesentlich entspannter geworden. Meltdowns habe ich seit Jahren nicht mehr gehabt.“ (A)

Auf Nachfrage ergänzte sie, was unter „implodieren“ zu verstehen ist:

„Äußerlich bin ich “ganz normal”, niemand sieht mir etwas an – denke ich – doch innerlich bin ich wie “Feuer”, das mich verbrennt und das macht mich so kaputt, dass ich wirklich verbrenne. Die Wut ist dann unbeschreiblich und nicht abzustellen, nicht zu kanalisieren, ich bin ohnmächtig, kann nichts tun als abzuwarten bis ich “abkühle”. Der Schaden danach hält lange an und zerstört mich Stück für Stück. […] Es wäre schön, wenn das mal jemand verstehen könnte, wie zerstörend dieser Zustand ist. Vor allem als Kind ist man dem hilflos ausgeliefert und es hat fatale Folgen, es Kindern zu verbieten diese Energie umzuleiten.“

Neben spezifischen Situationen kann manchmal auch der normale Alltag als schwere Belastung wahrgenommen werden. Jedes Einzelerlebnis ist dabei für sich genommen kaum wahrnehmbar, aber mit der Zeit staut sich auch so ein Overload an, der schließlich zur Entladung führt. Grade soziale Gepflogenheiten wie in die Augen schauen können dann nicht mehr bewältigt werden.

„Ich bin mir nicht sicher, ob es das ist, was als Overload und als Shutdown bezeichnet wird, aber mich treibt der ganz normale Alltag einfach schon in den Wahnsinn.

Sobald man das Haus verlässt, erwarten Menschen etwas von einem. Mir entgegenkommende Personen erwarten einen Gruß und ein freundliches Lächeln (Meistens schaue ich einfach auf den Boden), wenn man im Geschäft zu lange rumsteht, dann wird man gleich gefragt, ob man Hilfe benötigt (ich brauche oft eine Weile um mich zu entscheiden und diese Frage bringt mich dann völlig aus meiner Pro-Contra Auflistung) […]

und allen muss man in die Augen schauen, was bei längeren Gesprächen sehr, sehr anstrengend ist… ach es gibt so vieles mehr, gerade wenn man Kinder hat…

Ich habe zu diesen Erwartungen und Forderungen der Menschen um mich herum ein Bild gemalt. Ich male sonst keine Gesichter, also verzeiht, dass ich darin noch nicht sehr geübt bin.“ (A)

Künstler: Mirjam Heesch

Auf unsere Frage nach Beschreibungen hin ließ uns unser Mitglied Bianca Hinrichs einen Notfall-Flyer zukommen, den sie für solche Fälle zur Aufklärung anderer Menschen erstellt hat. Der Flyer findet sich auch in unserem Download-Bereich.

Abkürzungen:
A=Autist
VA=Verdachtsautist
NT=neurotypischer Mensch

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