Komorbiditäten

ADHS („Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung“)

ADHS ist nach heutigem Stand der Forschung eine Störung des Selbstmanagement-Systems des Gehirns. Ebenso wie bei Autismus ist auch ADHS ein Spektrum, bei dem unterschiedliche Faktoren unterschiedlich stark ausgeprägt auftreten können. Von ADHS wird dann gesprochen, wenn die Auffälligkeiten stark ausgeprägt und beständig seit der Kindheit vorhanden sind. Die Häufigkeit beträgt Schätzungen zu Folge etwa vier bis fünf Prozent, wobei Jungen bis zu vier Mal häufiger diagnostiziert werden als Mädchen. Etwa ein Drittel aller diagnostizierten Kinder zeigt die Auffälligkeiten ein Leben lang auch als Erwachsene. Während die meisten Betroffenen heute bereits in der Schule diagnostiziert werden, gibt es noch immer eine hohe Dunkelziffer nicht diagnostizierter Erwachsener.

Die Symptomatik lässt sich in zwei Kategorien teilen:

  • Unaufmerksamkeit:
    Betroffene neigen zu Flüchtigkeitsfehlern und verfügen über eine merklich kürzere Aufmerksamkeitsspanne als der Durchschnitt. Dadurch wirken sie vor allem als Kinder oft abwesend oder unkonzentriert. Sie haben Schwierigkeiten, Aufgaben zu organisieren und zu beenden, da sie sehr reizoffen und schnell abgelenkt sind. Viele Betroffene wirken vergesslich bei alltäglichen Dingen und Materialien z.B. für die Schule.
  • Hyperaktivitätsimpuls:
    Betroffene wirken oft unruhig und ungeduldig und weisen einen großen Rede- und Bewegungsdrang auf. Es fällt ihnen schwer, zu warten und sie neigen dazu, andere zu unterbrechen und ihnen ins Wort zu fallen.

ADHS ist nicht heilbar, kann jedoch in vielen Fällen medikamentös eingestellt werden, was zu einer großen Verbesserung der Symptomatik beitragen kann. Die Medikamentengabe richtet sich hierbei nach der Schwere der Ausprägung und der Wirkung der Medikamente auf die Betroffenen selbst.

Viele Symptome von ADHS ähneln zumindest von Außen betrachtet denen einer Autismus-Spektrum-Störung. Vor allem der Bereich der exekutiven Funktionen ist bei beiden Störungsbildern oft stark betroffen. Deshalb ist ADHS sowohl eine häufige Fehldiagnose als auch eine Komorbidität. Aufgrund der Häufung der Doppeldiagnose ADHS/ASS wird vermutet, dass ein genetischer Zusammenhang zwischen beiden Störungsbildern bestehen könnte.

 

Dyspraxie

Dyspraxie ist eine angeborene Koordinations- und Entwicklungsstörung. In Deutschland ist sie vor allem als „UEMF“ (Umschriebene Entwicklungsstörungen Motorischer Funktionen) bekannt. Je nach Region und Quelle sind zwischen etwa zwei und sechs Prozent der Bevölkerung von Dyspraxie betroffen. Es gibt verschiedene Ausprägungen und die Auswirkungen können individuell unterschiedlich ausfallen.

Dyspraxie beschreibt vor allem die Problematik, körperliche Handlungen zu planen und umzusetzen. Dies wirkt sich auf den gesamten Alltag aus. Betroffene wirken oft plump und ungeschickt. Betroffene Kinder fallen meist dadurch auf, dass sie oft stolpern, im Sportunterricht große Probleme haben, mit den anderen Kindern mitzuhalten und eine schlechte Handschrift haben. Oft zeigen sich auch Probleme bei z.B. der Organisation des Ranzens und Auffälligkeiten in der Sprache.

Auffälligkeiten finden sich sowohl in der Grob- als auch in der Feinmotorik. Betroffen sind dadurch u. a.:

  • Handschrift
  • Gleichgewicht
  • Rhythmusgefühl
  • Koordination
  • Körpergefühl
  • Kraft

Da auch die Sprache Koordination vor allem der Lippe und Zunge aber auch des gesamten Stimmapparates fordert, können Betroffene auch bei der Artikulation, der Lautstärke und der Geschwindigkeit Auffälligkeiten entwickeln.

Obwohl Dyspraxie nicht heilbar ist, können Betroffene mit entsprechender Förderung dennoch große Fortschritte machen. Besonders Therapien im Bereich Ergotherapie, Logopädie, Krankengymnastik und Motopädie können sich vorteilhaft auf die motorischen Fähigkeiten auswirken.

Dyspraxie ist eine häufige Begleiterscheinung verschiedener Störungsbilder wie ASS, ADHS und verschiedenen Lernbehinderungen.

Prosopagnosie

Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) ist eine Form der visuellen Agnosie. Hierbei fällt es Betroffenen schwer, die Identität anderer anhand des Gesichts zu erkennen. Prosopagnosie kann sowohl angeboren sein als auch z.B. durch Verletzung des Gehirns erworben werden. Die Häufigkeit des Auftretens in der Bevölkerung liegt bei etwa zwei bis drei Prozent, wobei vielen Betroffenen die Problematik nicht bewusst ist.

Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, fällt es Betroffenen nicht schwer, Gesichter zu sehen und auch einzelne markante Merkmale können zugeordnet werden. Das gesamte Gesicht wird jedoch nicht einer einzelnen Person zugeordnet und kann aus dem Gedächtnis in der Regel nicht abgerufen werden.

Betroffene entwickeln vielfältige Kompensationsstrategien, um ihre Mitmenschen, Familien und Freunde wiederzuerkennen, wodurch die Prosopagnosie oft nur am Rande bemerkt wird. Es fällt Betroffenen oft schwer, Menschen auf Fotos wiederzuerkennen. Auch neue Frisuren oder ein anderer Kleidungsstil stellen eine Herausforderung dar. Dadurch kann es passieren, dass lange bekannte Menschen nicht auf Anhieb wiedererkannt werden. Dies erzeugt oft fälschlicherweise den Eindruck, als sei der Betroffene gleichgültig, zerstreut oder arrogant.

Die Ursache wird in der Verarbeitung visueller Informationen im Hirn vermutet. Bei den meisten Menschen werden Gesichter anders verarbeitet, wodurch diese in einer größeren Detailgenauigkeit wahrgenommen werden als leblose Gegenstände. Bei Menschen mit Prosopagnosie scheint dies nicht der Fall zu sein, wodurch bei manchen Betroffenen auch das Erkennen von Mimik und anderer Merkmale wie Geschlecht und Alter beeinflusst ist. Auch das Erkennen des eigenen Gesichts in Fotos und im Spiegel kann eingeschränkt sein.

Da das Nichterkennen von Gesichtern Einfluss auf die soziale Außenwirkung hat, kann Prosopagnosie auf den ersten Blick mit Autismus verwechselt werden. Häufig ist jedoch auch ein gemeinsames Auftreten beider Störungsbilder.

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