Es gibt viele Ursachen für Epilepsie, von denen manche bekannt, andere jedoch noch nicht verstanden sind. Auffällig ist, dass viele von Epilepsie betroffene Menschen gerade auch in der Kindheit Symptome zeigen, die abgesehen von epileptischen Anfällen große Ähnlichkeiten zu den Symptomen einer Autismusspektumstörung zeigen. Betroffen sind hier vor allem die Bereiche Verhalten, Kommunikation und Intellekt. Diese Übereinstimmungen könnten kausal begründet (d.h., ein Syndrom wäre die Ursache des anderen) oder das Ergebnis zufälliger Überschneidung sein. Letztere These beruht auf der Annahme, dass ähnliche Vorgänge in der Entwicklung des Gehirns sowohl zu Epilepsie als auch zu ASS führen könnten, ohne dass beide Störungsbilder einander in ihrer Entwicklung beeinflussen.
Betrachtet man die übereinstimmenden Symptome im Detail, lassen sich auch Auffälligkeiten feststellen, die aus der Außenperspektive identisch zu sein scheinen, ohne die gleiche Ursache haben zu müssen. Während autistische Kinder zum Beispiel in einigen Fällen nicht auf Ansprache reagieren, kann das gleiche Verhalten bei Epileptikern auf einen Absence-Anfall zurückzuführen sein. Auch das Abwenden des Blickes, das bei Autismus mit der generellen Vermeidung von Augenkontakt in Zusammenhang steht kann bei Epilepsie durch einen fokalen Anfall ausgelöst werden. Auch zwischen Petit-Mal-Anfällen und autistischem Stimming ist optisch wenig Unterschied festzustellen. Rein anhand dieser Symptome ist es sehr schwer, zwischen singulär auftretendem Autismus und Epilepsie zu unterscheiden, weshalb EEGs (Messung der Hirnstromkurve) als gängige diagnostische Mittel sowohl in der Epilepsie- als auch in der Autismusdiagnostik Anwendung finden.
Während die Überschneidungen an sich empirisch belegbar sind, ist es sehr schwierig, konkrete Aussagen über den Zusammenhang zu treffen. Dies liegt an mehreren Faktoren. Sowohl ASS als auch Epilepsie sind sehr heterogene Phänomene mit einer Vielzahl an Ausprägungen und Begleiterscheinungen. Während vor allem im Bereich der Epilepsie vereinzelte Formen recht gut erforscht sind, fehlt es insgesamt an zuverlässigen Aussagen hinsichtlich vor allem der Entstehung von ASS und auch Epilepsie, um Thesen konkret belegen zu können. Da beide Phänomene für sich genommen bereits nicht klar isoliert betrachtbar sind sondern das komplette Leben und Erleben Betroffener beeinflussen, kann beides aus Sicht unterschiedlicher Wissenschaften erforscht werden, die oft nur schwer miteinander kombinierbar sind. Gerade auch bei ASS ist die Diagnostik vor allem symptomorientiert, was Ursachenforschung weiter erschwert.
Auffälligerweise scheinen ASS und Epilepsie häufig dann gemeinsam aufzutreten, wenn bereits Anfälle in früher Kindheit auftreten. Hier zeigen sich später oft große Defizite im Bereich der sozialen Kommunikation, während etwa zehn bis 15 Prozent der Betroffenen die Vorraussetzungen für eine Autismusdiagnose erfüllen. Weitere Risikofaktoren für das komorbide Auftreten von Autismus und Epilepsie sind Intelligenzminderung, weitere Entwicklungsstörungen, die Schwangerschaft und Geburt betreffende Faktoren sowie überraschenderweise das biologische Geschlecht. Studien zufolge ist das gemeinsame Auftreten beider Phänomene bei Frauen im Durchschnitt doppelt so häufig anzutreffen als bei Männern.