E.K.
Ich habe seit meiner Ausbildung ca. 20 Jahre Vollzeit in einem technischen Beruf gearbeitet, in meinem Ausbildungsbetrieb. Die Arbeit an sich war genau mein Interessensgebiet, das Drumherum, die Zusammenarbeit mit den Kollegen ist mir aber immer schon sehr schwer gefallen. Mir wurde deutlich gemacht, dass ich mich vor dem Telefonieren drücke (das war immer schon Horror für mich), dass ich manchmal sehr schroff reagiere, dass ich mich zu sehr vor Gruppen-Events drücke, nie zusammen mit den Kollegen in die Kantine gehe, usw. Ich war immer sehr darauf bedacht, nicht zu sehr aufzufallen und habe meine ganze Energie gebraucht, um “normal” zu erscheinen.
Wenn ich eine klar umrissene Aufgabe hatte, war alles ok. Ich habe auch immer sehr zuverlässig und genau gearbeitet, das wurde von den Vorgesetzten geschätzt, allerdings von den Kollegen misstrauisch beäugt und mir teilweise als “Arschkriecherei” ausgelegt. Die Aufgaben wurden im Laufe der Zeit auch zunehmend weniger angeleitet, es wurde auf Teamfähigkeit gesetzt, die Projekt- und Gruppenstrukturen waren nicht mehr klar, alles änderte sich immer schneller, steigende Flexibilität wurde verlangt, alles Dinge, die mir sowieso immer schon schwergefallen sind. Inzwischen hatte ich nach einer ersten längeren Krankheitszeit aufgrund Depressionen reduziert auf Teilzeit, 25-Stunden-Woche, immer noch im gleichen Betrieb.
Ich merkte aber schon, dass ich nicht mehr genug kompensieren konnte, nach der Arbeit hatte ich keine Energie mehr für irgendwas, konnte nicht mehr auftanken. Nach erneuten Depressionen, mehreren Klinikaufenthalten und abgebrochenen Wiedereingliederungen ist es mir dann noch mal kurzzeitig gelungen, meine Arbeitszeit auf 20 Stunden pro Woche zu reduzieren. Allerdings setzte mein Arbeitgeber inzwischen voll auf “Agile Arbeitsmethoden” in einem Großraumbüro, damit kam ich dann gar nicht mehr klar. Als ich wegen Suizidgedanken erneut in der Klinik war, habe ich dann die Reißleine gezogen und einen EU-Antrag gestellt, der mir dann nach Widerspruch inzwischen auch befristet genehmigt wurde.
Ich bin jetzt 55 und kann mir nicht mehr vorstellen, zu arbeiten. Die Diskrepanz zwischen meinem Bedürfnis, gründlich und strukturiert für mich allein zu arbeiten und der extremen und sehr flexiblen Teamarbeit, die die Arbeitswelt in meiner Berufssparte inzwischen erfordert, ist zu groß. Das kann ich nicht mehr leisten, ohne dass ich wieder in einer tiefen Depression lande.